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Unverschämter Charme

In Mittelitalien war es, wo die Renaissance zuerst Wurzeln schlug. Diese große kulturelle Explosion umfaßte nicht nur eine besondere Art zu malen, einen neuen Stil in der Bildhauerei oder eine Mode der Architektur, sondern eine völlig neue Sicht der Welt. Man muß sich immer wieder bewußt machen, daß der Begriff Renaissance ein Schlagwort ist, das mehr als 200 Jahre menschlichen Strebens umspannt. Also keine Angst, wenn Sie mal den Überblick verlieren sollten. Lucy Honeychurch in E. M. Forsters Roman „Zimmer mit Aussicht", die sich in Florenz in der Kirche Santa Croce ohne Baedeker völlig verloren fühlte, war auch total verwirrt, bis „der unverschämte Charme Italiens seinen Einfluß auf sie ausübte; und es verlangte sie nicht mehr nach Informationen, sie fing einfach an, glücklich zu sein."

Einzelheiten finden Sie auf den Städteseiten. Hier zunächst eine Zusammenfassung der Hauptrichtungen und ihrer Vertreter:

Mittelalter
In den dunklen Zeiten nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches zwischen dem 5. und 10. Jahrhundert hatten die Einwohner der Marken - und diese Situation war in ganz Mittelitalien ähnlich - alle Hände voll zu tun, um fremde Eindringlinge abzuwehren. Sie konnten sich nicht groß beschäftigen mit Kunst und Architektur. Die wenigen Klöster und Kirchen, die aus dieser Zeit erhalten sind, sind eher im orientalischen byzantinischen Stil gebaut, mit eklektizistischen Elementen primitiverer Kulturen.

Erst im Spätmittelalter, im 11. und 12. Jahrhundert, als Reichtum und  politische Stabilität zunahmen, konnte sich das Baufieber ausbreiten. Der romanische Stil, der sich jetzt entwickelte, war die Summe aus diesen  neuen Einflüssen und dem Zurückgreifen auf ferne Erinnerungen an römische Architektur.

Als die Romanik in Mittelitalien auf ihrem Höhepunkt war, war Nordeuropa gerade völlig gefesselt von der Konstruktion der großen gotischen Kathedralen. Die dicken Mauern und massiven Rundbögen der Romanik wurden weggefegt  von hoch aufragenden  Spitzbögen und schwebenden Pfeilern, die es ermöglichten, Wände gleichsam als Rahmen für die leuchtend bunten Glasfenster zu sehen. Die Benennung gotisch wurde von den Italienern in der Renaissance geprägt und benutzt als Bezeichnung eines Stils , der als so barbarisch galt, daß er von den Goten hätte stammen können.

Trotzdem hatte die Gotik einen großen Einfluß in Mittelitalien, in den Marken im 12. und 13. Jahrhundert auch auf die Architektur der großen öffentlichen Gebäude. Darüber hinaus war sie ein Stimulans für die Wiederbelebung in der Bildhauerei und Malerei.

Giottos großartige Fresken und die Skulpturen von Nicola und Giovanni Pisano gehörten zwar zu den ersten Werken, die sich freimachten vom zweidimensionalen Formalismus des Mittelalters, sie ruhten aber ganz fest in der gotischen Tradition. Die Gotik erwies sich als kraftvoller Stil, der die ganze Frührenaissance prägte. Ihren Höhepunkt hatte sie im 14. Jahrhundert in der Internationalen Gotischen Schule, deren führender Vertreter ein Künstler aus den Marken war, Gentile da Fabriano.

Die Renaissance
Giorgio Vasari war der erste, der alle Stränge dieser kreativen Welle in Mittelitalien in Bezug zueinander setzte. In seinem Buch „Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Baumeister", eine Sammlung gut recherchierter Biographien der Renaissance-Protagonisten, das 1568 in seiner endgültigen Fassung herauskam, beschrieb er die mehr als 200 Jahre umfassende Zeitspanne, von Giotto bis Michelangelo, als Rinascita, oder Wiedergeburt von Kunst und Architektur. Aber erst im 19. Jahrhundert wurde das französische Wort Renaissance gebraucht, um eine ganze Epoche zu beschreiben und sie abzusetzen von vorangegangenen Zeiten.

Erst in Jakob Burckardts 1860 veröffentlichtem Buch Die Cultur der Renaissance in Italien wurde Italien als Vorläufer eines Kapitels der Menschheitsgeschichte angesehen, das noch heute unsere Wahrnehmung der modernen Welt stark beeinflußt.

Burckhardt sah im Aufkommen des Individualismus den Schlüssel zu dieser Epoche. Fühlte der Mensch des Mittelalters sich bei seiner Arbeit zum Ruhme und zur Ehre Gottes aufgehoben in der Anonymität des Kollektivs, so interessierte sich sein Pendant in der Renaissance mehr für seine eigene Ehre. Ruhm, oder auch traurige Berühmtheit - welches von beiden war gar nicht so entscheidend -  waren das Ziel, und Durchsetzungskraft gegen die Konkurrenz war das Wichtigste.

Als wenn sie den Alptraum der Barbaren völlig auswischen wollten, hielten Dichter und Maler, Bildhauer und Gelehrte ihren Blick auf das klassische Rom gerichtet und sahen dort die Quelle der Weisheit und des geistigen Adels. Heidentum und Christentum teilten dasselbe Bett und fühlten sich dabei sehr unbehaglich.

Der Humanismus befreite das Denken aus der Zwangsjacke des  mittelalterlichen Aberglaubens und reiches Mäzenatentum förderte den Personenkult

Mit der Selbstgewahrwerdung des Menschen erwachte ein neues Interesse an der Außenwelt. Künstler beschäftigten sich mit Anatomie und Mathematik mit der gleichen Hingabe wie früher mit der Welt der Antike.

Auch die Organisation der Gesellschaft selbst wurde ein Kunstwerk, sowohl in der Theorie, wie z.B. in den Schriften Macchiavellis, als auch in der Praxis, wie z. B. am glanzvollen Hof von Urbino.

Für den ehrgeizigen Menschen reichte es nicht mehr, sich nur auf einem einzigen Gebiet auszukennen, das neue Zeitalter verlangte nach Multitalenten, nach dem universalen Menschen, verkörpert im unvergleichlichen Genie eines Leonardo da Vinci.

Florenz war die Wiege dieser Umwälzung. Seine beiden großen Söhne Dante und Giotto wurden hier, nur ein Jahr auseinander, in den 60er Jahren des 13. Jahrhunderts geboren. Mit ihnen erklingen die ersten Takte der Ouvertüre. Erst mehr als 100 Jahre später, in der 1. Hälfte des 15.  Jahrhunderts, hob sich dann der Vorhang zur Renaissance mit dem Auftritt des großen Florentiner Trios Masaccio, Donatello und Brunelleschi.

Obwohl Masaccio sehr jung starb (1401-1428), revolutionierte er die Kunst, indem er als erster konsequent die Perspektive in der Malerei einsetzte und außerdem richtiggehend den Humanismus in der Kunst einführte, indem er das menschliche Leid ganz realistisch darstellte.

Die Bildhauerei galt als die größte Kunst dieser Zeit, weil es ihr ein Leichtes war, in der Dreidimensionalität zu arbeiten und den menschlichen Körper realistisch darzustellen. Masaccios kraftvoll handfeste Figuren z .B. verdanken viel dem berühmtesten Bildhauer der frühen Renaissance, Donatello (1386-1466). Vasari sah ihn gleichwertig  neben den Bildhauern der Antike, und sein eindringlicher, emotionaler Realismus, seine unglaubliche Vielseitigkeit sind kaum je erreicht worden.

Beide Künstler waren stark beeinflußt von den Geometrischen Grundlagen der Perspektive, niedergeschrieben von Filippo Brunelleschi (1377-1446), dem führenden Architekten seiner Zeit. Die schönsten Spuren hinterließ er mit der Kuppel des Domes von Florenz, eine revolutionäre Meisterleistung der Konstruktionstechnik, und mit seiner schöpferischen Wiederentdeckung des all'antica Vokabulars der alten römischen Architektur.

Im Laufe des Quattrocento, so nennen die Italiener das 15. Jahrhundert, führten zahlreiche Künstler und Architekten die Errungenschaften der Frührenaissance zur Vollendung - in Urbino brachten Paolo Ucello und Piero della Francesca die Geschichte der westlichen Kunst einen ganzen Schritt nach vorn mit ihren grundlegenden Forschungen zur Perspektive und der zeichnerischen Verkürzung.

Der führende Architekt der Marken war Francesco di Giorgio Martini, der Mann, der hinter all den phantastisch geplanten Militäranlagen steckt, die Herzog Federico von Montefeltro bauen ließ.

Noch viele andere großartige Künstler arbeiteten in den Marken, darunter die beiden venezianischen Maler Carlo Crivelli und Lorenzo Lotto. Beide haben mit ihren Werken viele Spuren in der Gegend hinterlassen.

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfuhr das Renaissance-Ideal der perfekten Schönheit und Harmonie  seine Verherrlichung in den Werken von Leonardo, Michelangelo und dem in Urbino geborenen marchigiano Raphael.

Manierismus und danach
Der Manierismus, eine Bezeichnung, über die sich die Kunsthistoriker streiten, bezeichnet grob gesagt die italienische Kunst zwischen 1520 und 1600. Michelangelo wird von vielen als sein Schöpfer gesehen. Kennzeichen dieser Kunstrichtung sind extreme Farben, verzerrte Figuren, brutale Kompositionen und eine Bewegung hin zum Grotesken und Grausamen.

Einige sehen in dieser Richtung den Triumph des Stils über den Inhalt, eine Virtuosität um ihrer selbst willen; für andere wiederum ist es eine persönliche und intellektuelle Befreiung von den allmählich erstickenden Begrenzungen der Kunst der klassischen Renaissance.

In Mittelitalien waren die führenden Vertreter dieser Stilrichtung die Maler Rosso Fiorentino, Pontormo und Bronzino, und die Bildhauer Cellini und Ammannati.

Egal, ob wir diesen äußerst subjektiven Stil schätzen oder nicht, die Befreiung von der mathematischen Präzision der Renaissanceperspektive und von den Grenzen des Marmorblocks bereitete den Weg für eine der großen Kunstbewegungen der Gegenreformation des 17. Jahrhunderts, für das Barock.

Mit den Manieristen ging in Italien das Zeitalter der großen Kunst zuende. Wenn wir die Geschichte der abendländischen Kunst weiterverfolgen wollen, müssen wir uns anderen Orten, anderen Ländern und anderen web sites zuwenden.

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